Die Wohnungsnot in Deutschland zählt zu den drängendsten sozialen Herausforderungen unserer Zeit. Laut Branchenverbänden fehlen bereits 500.000 Wohnungen und die Zahl könnte ohne die nötige Beschleunigung des Ausbaus weiter anwachsen.
Umso wichtiger ist es, dass es klare politische Impulse für eine Verbesserung und innovative Projekte gibt. Wir stellen einige Maßnahmen und konkrete Ideen vor, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken.
StudyFriends Bremen: Win-win für Bildung und Gemeinschaft
Das Bremer Projekt StudyFriends verbindet zwei gesellschaftliche Herausforderungen: Studierende erhalten mietfreien Wohnraum, wenn sie sich ehrenamtlich an Schulen in benachteiligten Stadtteilen engagieren. Sie unterstützen Kinder und Jugendliche durch Nachhilfe, Workshops und Freizeitangebote und werden so zu Vorbildern, die Bildungschancen und Motivation fördern. Gleichzeitig profitieren die Studierenden von finanzieller Entlastung und Praxiserfahrung. Das Projekt wird von der Senatorin für Kinder und Bildung gefördert und steht für nachhaltige soziale Innovation.
Housing First: Ein Zuhause als Ausgangspunkt
Finnland hat es vorgemacht: Bereits 2008 führte das Land das Prinzip Housing First flächendeckend zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit ein. Das Besondere an dieser Strategie ist, dass obdachlose Menschen ohne Vorbedingungen sofort eine eigene, unbefristete Wohnung erhalten – sie müssen also nicht erst ihre „Wohnfähigkeit“ unter Beweis stellen, etwa durch Abstinenz oder das Durchlaufen von Übergangseinrichtungen.
Auch in Baden‑Württemberg wird der Housing‑First‑Ansatz konsequent erprobt: Das Sozialministerium und die Vector Stiftung fördern von 2024 bis 2026 sechs Modellprojekte mit insgesamt rund 1,6 Millionen Euro, um wohnungslose Menschen ohne Vorbedingungen sofort in eigene, unbefristete Wohnungen zu vermitteln. Pilotstandorte sind Herrenberg, Esslingen am Neckar, der Gemeindeverbund Mittleres Schussental, Reutlingen, Freiburg im Breisgau und Heidelberg. „Ein unbefristeter Mietvertrag bietet große Sicherheit“, betonte Edith Wolf, Vorständin der Vector Stiftung, und fügte hinzu: „Im zweiten Schritt lassen sich dann auch die Gründe für den Wohnungsverlust bearbeiten.“
Ein weiteres Beispiel für die erfolgreiche Umsetzung in Deutschland liefert der Verein Dach überm Kopf e.V. in Münster. Mieterinnen und Mieter werden individuell begleitet, wobei Unterstützung freiwillig und bedarfsgerecht angeboten wird. Das Ziel: Stabilisierung und soziale Teilhabe durch ein sicheres Zuhause.
Schwäbisch Gmünd: Leerstand effizient nutzen
Die Stadt Schwäbisch Gmünd hat mit ihrer Wohnraumoffensive ein Modell entwickelt, um leerstehende Wohnungen zu vermitteln und damit schnell neuen Wohnraum zu schaffen. Rund 1.000 Menschen fanden so bereits ein neues Zuhause. Für das Projekt erhielt Schwäbisch Gmünd den Preis Soziale Stadt. Mit einer Leerstandsquote von über 4 Prozent und insgesamt fast 2 Millionen leerstehenden Wohnungen in Deutschland besteht hier großes Potenzial, ohne Neubauten kurzfristig Wohnungsnot zu lindern.
Unsichtbarer Wohnraum und „Wohnen für Hilfe“
Angesichts von Wohnungsnot, Klimawandel und Einsamkeit im Alter gewinnen kreative Wohnkonzepte an Bedeutung. Das Modell des „unsichtbaren Wohnraums“ aktiviert ungenutzte Flächen in bestehenden Wohnungen, etwa durch gemeinschaftliches Wohnen. Projekte wie „Wohnen für Hilfe“ ermöglichen es, dass Menschen günstig wohnen, wenn sie im Gegenzug ältere Mitbewohner im Alltag unterstützen. Solche Ansätze schaffen nicht nur neuen Wohnraum, sondern fördern auch soziale Kontakte und reduzieren den ökologischen Fußabdruck.
PassivhausSozialPlus: Nachhaltige Umnutzung statt Neubau
Das Projekt PassivhausSozialPlus in Darmstadt zeigt, wie durch die nachhaltige Umnutzung von Bestandsimmobilien sozialer Wohnraum geschaffen werden kann – ohne zusätzliche Flächenversiegelung. Die Initiative der Neuen Wohnraumhilfe gGmbH richtet sich gezielt an bedürftige Menschen und setzt auf Energieeffizienz sowie Ressourcenschonung.
Die vorgestellten Projekte und politischen Initiativen zeigen eindrucksvoll, wie durch innovative Konzepte und gezielte Zusammenarbeit von Politik, Kommunen und Zivilgesellschaft Wohnraum nicht nur als Grundbedürfnis gesichert, sondern gesellschaftliche Teilhabe und sozialer Zusammenhalt gestärkt werden können. Sie machen deutlich, dass kreative Lösungen und politischer Wille gemeinsam einen entscheidenden Beitrag leisten, damit Wohnen in Deutschland kein Privileg bleibt, sondern für alle erreichbar wird.
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